Die Giganten der Social-Media-Netzwerke spielen für die Bundestagswahlen in Deutschland dieses Jahr eine wichtige Rolle … und Mozilla wird sie genau im Auge behalten.

Im September findet in Deutschland die erste große Wahl in einem G7-Land nach den US-Wahlen 2020 statt. Und da Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht wieder antritt, geht es bei dieser Wahl um Einiges. Wir wissen schon, dass die sozialen Medien für die deutschen Bundestagswahlen von zentraler Bedeutung sein werden, aber werden sich die Social-Media-Giganten gegen die Fluten von Fehlinformationen und Desinformationen wehren können?

Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass sich wahlbezogene Fehl- und Desinformationen über soziale Medien rasant verbreiten. Es ist auch bekannt, dass die Plattformen über eine Reihe an Gegenmaßnahmen verfügen, um dem vorzubeugen.

Bereits jetzt kommen in Deutschland Berichte über hinterhältige Taktiken von Beteiligten mit schlechten Absichten ans Licht – etwas, das mittlerweile moderne Wahlen weltweit gemein haben.

Wir sind über die möglichen Auswirkungen von Fehlinformationen auf die Demokratie besorgt und geben deshalb heute bekannt, dass wir die Richtlinien der fünf größten Social-Media-Plattformen in Deutschland bis zu den Wahlen im Auge behalten werden. Wir werden diese Richtlinien auch damit vergleichen, was Plattformen in den USA gemacht haben. Werden sie genau so viel Energie in eine Wahl stecken, die nicht in den USA stattfindet und in einem Land, in dem Englisch nicht die Primärsprache ist?

In den nächsten Wochen werden wir in Echtzeit die Herangehensweisen analysieren, die Plattformen in Deutschland umsetzen. Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf Facebook/Instagram, YouTube, TikTok und Twitter.

Dabei empfehlen wir Social-Media-Unternehmen für die Bundestagswahl 2021 in Deutschland kurz und knapp: Fangt an! Am besten gestern und bleibt am Ball.

Um die Integrität der Wahlen zu beschützen, verfügen Social-Media-Plattformen über eine Reihe verschiedener Gegenmaßnahmen. Folgende wollen wir sofort sehen:

  • Anhaltende Bemühungen, die früher beginnen: Richtig aktiv wurde man bei den US-Wahlen in den Wochen vor und nach der Wahl. Plattformen reagierten zu dem Zeitpunkt auf etablierte Fehlinformations-Kampagnen – allerdings könnte man behaupten, dass der größte Schaden bereits angerichtet war. Plattformen müssen proaktiver agieren, um nicht aus der Not heraus reagieren zu müssen.
  • Lehren aus den US-Wahlen, die auf Deutschland (und andere Länder) angewandt werden sollten: Plattformen haben wenige bis keine Ausrede, warum sie die Integrität von Wahlen nicht beschützen sollten. Diese Bemühungen erfordern mehr Ressourcen in puncto Sprache und kulturellem Verständnis, um in einem deutschen Kontext angemessen zu handeln.
  • Mehr Transparenz und Daten über die Auswirkungen: Bisher haben nur die Plattformen selbst einen Überblick darüber, wie ihr Eingreifen sich ausgewirkt hat. Plattformen könnten mehr Daten darüber veröffentlichen und es so außenstehenden Forscher*innen, Journalist*innen, Gesetzgeber*innen und der Öffentlichkeit ermöglichen, die Auswirkungen dieser Richtlinien auf wahlbezogene Fehlinformationen besser unabhängig bewerten zu können.

Mozillas Analyse der US-Wahlen zeigte, dass trotz neuer Bemühungen, Fehl- und Desinformationen zu managen, die Plattformen in Bezug auf den Schutz der Wahlintegrität viel zu wünschen übrig ließen. Es wurde zu spät gehandelt und nicht ausreichend getan, um schwerwiegende Auswirkungen von Fehlinformationen zu verhindern. Generell reagierten die Plattformen eher als proaktiv zu handeln und entwickelten temporäre Lösungen für auftretende Probleme.

Erste Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Social-Media-Unternehmen vor den Wahlen in Deutschland noch keine erheblichen Änderungen an ihren Richtlinien vorgenommen haben. Gleichzeitig haben sie bewiesen, dass sie ihre Richtlinien schlecht gegen die Flut an Fehlinformationen rund um Wahlen durchsetzen können. Facebook, beispielsweise, hat versprochen, dauerhaft mit der Empfehlung von Gruppen mit politischen und problembezogenen Themen aufzuhören, schafft es aber nicht, diese Richtlinie durchzusetzen.

Drei der größten politischen Parteien Deutschlands haben sich bereits dazu verpflichtet, faire Online-Kampagnen zu führen, um von der Zivilbevölkerung vorgeschlagene Verhaltensrichtlinien für politische Parteien umzusetzen. Allerdings gab es bereits Angriffe auf die Wahlintegrität, auf die die großen Social-Media-Plattformen noch nicht reagiert haben – ganz zu schweigen von Präventivmaßnahmen. Bisher scheinen die Plattformen unwillig, ihre Herangehensweise zu ändern und das Engagement zu begrenzen oder Fehlinformationen zu überwachen. Sie sind scheinbar stärker an der Wahrung ihrer eigenen Interessen interessiert als an der Integrität von Wahlen.

Es stehen weiterhin nicht ausreichend Daten darüber zur Verfügung, wie gut Social-Media-Plattformen ihre Richtlinien durchsetzen und welchen Einfluss sie auf wahlbezogene Fehlinformationen haben. Mozilla fordert öffentlichen Zugriff auf diese Daten, um das Vertrauen in Social-Media-Plattformen zu stärken und ein besseres Verständnis darüber zu erlangen, welche Richtlinien für künftige Wahlen umgesetzt werden sollten.

Über Ihren Input zu unserem Richtlinien-Tracker freuen wir uns – und werden das Dokument in Echtzeit während des Wahlzyklus in Deutschland aktualisieren. Schreiben Sie uns eine E-Mail an [email protected] – sie wird von echten Menschen gelesen.


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