Am 26. September wählen die Deutschen einen neuen Bundestag und zum ersten Mal seit 16 Jahren kandidiert Angela Merkel nicht. Der Wahlkampf für die größte Wahl Europas in diesem Jahr ist in seiner heißen Phase, auf den Straßen, in den Nachrichten und den sozialen Medien.
Bei den Wahlen in den USA letztes Jahr haben sich soziale Medien wie Facebook, YouTube, Twitter und TikTok bemüht, politische Inhalte auf ihren Plattformen im Blick zu behalten, indem sie Inhalte kennzeichneten, Einträge löschten und sogar Benutzerkonten von Politikern sperrten.
Mozilla beobachtet intensiv, wie die Regeln auf den Plattformen in Bezug auf die Wahlen dieses Jahr in Deutschland angewandt werden.
Wo stehen wir jetzt, weniger als zwei Wochen vor der Wahl?
Obwohl die Plattformen beanspruchen, ein hohes Niveau an Schutz vor Falschinformation bei den Bundestagswahlen zu bieten, haben sie einige ihrer im letzten Jahr anlässlich der US-Wahlen eingeführten Regeln leider wieder abgeschafft, sobald Präsident Biden das Amt übernahm. Das setzt Deutsche stärker politischer Falschinformation aus als US-Amerikaner.
Was uns am meisten fehlt – in beiden Wahlkämpfen –ist Transparenz. Da keine der Plattformen Einblicke darin gibt, wie sie ihre Regeln durchsetzt und ob sie bisher überhaupt gewirkt haben, ist es schwer zu sagen, was beim Schutz der Wahl in Deutschland verbessert werden muss.
Kurz gesagt, die Firmen wissen, was passiert, aber sonst weiß es keiner. Alle großen Plattformen haben Teams, die die Unmengen von Daten im Zusammenhang mit den Wahlen analysieren. Und doch gibt es keine Transparenz dahingehend, was sie mit diesen Daten machen – und keine Möglichkeit für Reporter, Wissenschaftler und die Öffentlichkeit, ihre Behauptungen zu überprüfen.
Wir haben bereits Alarm geschlagen, weil die großen Internetunternehmen vor den Wahlen tatenlos zuschauen. Im August haben wir gezeigt, dass die Online-Dienste in diesem Wahlkampf noch keinerlei strengere Maßnahmen eingeführt hatten. Uns hat das überrascht, denn immerhin ist mittlerweile allseits bekannt, wie gefährlich Falschinformation in Bezug auf Wahlen ist und in der Öffentlichkeit gibt es ein starkes Bewusstsein dafür, dass die Plattformen eine Mitverantwortung für den Schutz von Wahlen tragen, insbesondere angesichts der kontroversen US-Wahl. Wenn wir ihren Ansatz in Deutschland damit vergleichen und betrachten, welche Maßnahmen die Online-Dienste in den USA ergriffen haben, ist klar, dass sie bei weitem nicht denselben Aufwand betreiben, wenn die Wahl weit von ihrem nordamerikanischen Hauptsitz entfernt stattfindet, wo Englisch zudem nicht die Hauptsprache ist.
Zweifellos gibt es große Unterschiede zwischen den Wahlen in den USA und in Deutschland. In den USA waren Falschbehauptungen ein zentrales Thema in der Medienberichterstattung über die Wahl und die Zeit danach, auch weil ein beträchtlicher Teil der Meldungen in den sozialen Medien, die als Desinformation entlarvt wurden, von einem der Präsidentschaftskandidaten stammten oder von ihm verbreitet wurden. In Deutschland ist das weniger der Fall, und dennoch haben Falschmeldungen dieselben potentiellen Auswirkungen, und es ist sehr schwer, die Wirkung von Plattformregeln zu durchschauen, solange die Plattformen diese Informationen zurückhalten.
Ohne Einblick darin, welche Maßnahmen gewirkt haben und welche nicht, ist es schwer, die Plattformen dafür zur Verantwortung zu ziehen. Und die Erfahrung zeigt, dass ohne Aufmerksamkeit und Druck der Öffentlichkeit die Plattformen sehr zögerlich beim Einsatz ausreichender Schutzmaßnahmen aus eigenem Antrieb sind. Die Deutschen haben Nachrichten über den US-Wahlkampf im letzten Jahr intensiv verfolgt. Sie sorgen sich darum, wie Falschmeldungen in den sozialen Medien das Wahlergebnis auch in ihrem Land verzerren können.
Mozilla wird weiter verfolgen, welche Maßnahmen die großen Plattformen zum Schutz der Wahlen bis zum Tag der Bundestagswahl ergreifen. Wir hoffen, dass unsere Analysen Entscheidungsträger*innen und der Öffentlichkeit bessere Instrumente an die Hand geben, sodass sie ihrerseits von den Plattformen die Bekämpfung von Falschmeldungen einfordern können und Transparenz schaffen, um die Wahlen sicherer zu machen. Das ist notwendig, um Demokratie zu schützen – egal, wo auf der Welt.